Ein komisches Geräusch, wie von einem Blasebalg dringt an mein Ohr. Ich möchte noch nicht die Augen öffnen und dass der Tag beginnt. Wo ich endlich einmal durchschlief und so schön träumte.
Aber irgendetwas ist heute irritierend, anders. Als würde ich schweben oder bin ich gar nicht in meinem Bett? Alles fühlt sich fremd, unbekannt an. Wage es nicht die Augen zu öffnen. Nun fällt mir auf ich habe etwas in meiner Nase und ich kann nur, dadurch atmen. Meinen linken Arm kann ich nicht bewegen, langsam steigt Panik hoch, die Augenlider kann ich kaum öffnen. Ich streiche mit der rechten, freien Hand an mir runter. Da ertaste ich einen dicken Verband an meiner rechten Bauchseite und die Erinnerung ist blitzartig wieder da.
Ich bin…..
„Hallo! Sie sind ja schon aufgewacht!“ „Wie spät!“ „3Uhr40“ „Erst?“ „Ja! Die OP verlief, nach der Aufregung, schnell und komplikationslos. Herzlichen Glückwunsch zum neuen zweiten Leben. Sie befinden sich noch auf der Aufwachstation. Es sieht sehr gut aus. Wir kommen mit den Auffüllen der Infusionen nicht nach, so gut läuft ihre neue Niere! Ich befreie sie von der Atemhilfe und bringe ihnen feuchte Stäbchen zum Durst löschen.“
Ich fühle wie Glückstränen aus meinen Augen kullern und übers Gesicht laufen. Kann es wirklich wahr sein, dass ich die Chance habe ein zweites Leben zu beginnen? Nicht mehr täglich, zu Hause und im Büro 3x, die CAPD Dialyse zu machen. Nicht mehr den permanenten Erschöpfungszustand zu spüren, der mich seit einem Jahrzehnt begleitet, weniger Medikamente, fast alles wieder essen und soviel Flüssigkeit trinken, wie ich Lust habe. Vielleicht wieder etwas Sport, Urlaub und so vieles mehr machen. Ich greife auf den Verband, lege meine Hand darüber und sagte leise: Ich werde Dich hegen und pflegen, mit aller Vorsicht und Bedacht, wir sollen auf ewig zueinander gehören.
Fremder Unbekannter Du leuchtest als Stern nun vom Firmament, strahle, denn Du bist gegangen und ich darf mit einem Teil von Dir ein zweites Mal ins Leben gehen!
Das war am 24.4.2001 und heute haben wir den 24.4.2022. Dankbar für jede Sekunde meines zweiten Lebens. Ich bin 60 und die letzten 22 Jahre kann ich, besser, anders, mit viel Vorsicht nicht meine neue Niere zu gefährden, vieles wieder machen, was vorher gar nie möglich war. Sicher gibt es die letzten 2 Jahre besonders noch mehr Einschränkungen als je zuvor, aber ich weiß, dass ist zum Schutz meines Transplantats.
Auf meine Erkrankung an Niereninsuffiziens (Schrumpfnieren) wurde man aufmerksam, da war ich 3 Jahre. Es folgten Jahre mit monatelangen Krankenhausaufenthalten, Untersuchungen etc. Die damalige Medizin gab mir eine Überlebenschance bis 20. Schon bei der Geburt war ich eine Kämpferin und das blieb so. Ich kämpfte mich wahrlich durchs Leben und trotz allem war und ist es ein tolles LEBEN.
Wenn ich gesund wäre, dann hätte ich kein Problem, ein Organspender nach meinem Ableben, zu sein. Zu wissen, dass es einen Menschen gibt der eine Chance hat, wieder gesund zu werden, ganz besonders in jungen Jahren, dann bräuchte ich keine Minute zu überlegen. Darüber soll jedoch jeder selbst entscheiden.
In Österreich ist man automatisch Organspender, außer man lässt sich ins Register, als Nichtorganspender eintragen. Dadurch gab es noch nie einen Nachweis von Organhandel, denn die Wartezeiten sind um einiges kürzer, als in vielen anderen Ländern, besonders als in Deutschland. Ich hatte das Glück, nur 12 Monate auf meine Niere zu warten.
Ich weiß, dass das heute kein leichtes Thema ist, doch finde ich, ein ausgesprochen Wichtiges, worüber viel zu viel geschwiegen und viel zu selten gesprochen wird. Doch Organspende ist ein lebensrettendes Thema, es, sterben noch immer zu Viele, weil es kein, passendes Transplantat gibt und zu viele Hürden im Weg stehen.
Es wäre schön, wenn ich sagen könnte, von den liebsten Menschen, von denen ich Abschied nehmen musste, lebt ein Teil weiter in einem anderen Körper und schenkt diesem ein zweites Leben.
Danke, wenn ihr bis hierher gelesen habt, ich etwas zum Überdenken anregen kann und sage somit
Bleibt gesund 🍀
Evelin